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Lu und das gescheckte Pony

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Lu erwachte von einem Sonnenstrahl, der sie an der Nase kitzelte und sogleich sprang sie mit grosser Freude aus dem Bett.
Heute war ihr Tag!! Ihr Geburtstag!
Ab jetzt war sie kein kleines Kind mehr, heute würde sie ihr eigenes Pony bekommen und zu den Grossen gehören. So lange hatte es gedauert, sie war schon so ungeduldig gewesen, dass sie dachte dieser Tag würde niemals kommen.
Natürlich hatten alle gesagt, dass es dieses Jahr für die Kinder mit zehn Jahren kein Pony gäbe, aber Lu glaubte das nicht, es gab schon immer am Sommersonnfest, für alle die zehn in dem Jahr wurden, ein Pony und Lu hatte auch noch genau an dem Tag Geburtstag.
Sie rannte aus der kleinen Holzhütte in der sie mit ihrem grossen Bruder Jepp schlief, hinüber zum  Haupthaus der Familie um ihre Eltern zu wecken. Aber das Haupthaus war leer, da erst fiel ihr auf, dass auch Jepp nicht mehr im Bett gewesen war.
Sie konnte doch unmöglich verschlafen haben!
Die Sonne war gerade erst aufgegangen. Lu rannte los um die Büsche rum zu ihren Nachbarn, aber auch da war niemand, sie flitzte weiter zu den nächsten Häusern. Die einzigsten die sie fand waren die anderen die in diesem Jahr ihr Pony bekommen sollten, alle anderen waren weg.
Lu blieb verdutzt stehen. Da sah sie ihren besten Freund Bo. Er war genauso verwirrt wie alle anderen Kinder. Sie sammelten sich am Hauptplatz des kleinen Dorfes am Brunnen und beratschlagten was zu tun sein.
Noch nie war es vorgekommen, dass ihre Eltern sie allein gelassen hatten. Keiner konnte sich vorstellen was das zu bedeuten hatte.
Die Jahre vorher war der Sonnwendtag einer der geschäftigsten des ganzen Jahres gewesen. Es ist das wichtigste Fest im Dorf und schon in der Früh wurde aufgebaut, dekoriert, gebacken und gebraten. Den ganzen Tag über gab es die leckersten Dinge zu essen und am Abend wurde ein grosses Feuer entzündet, gesungen, getanzt und ganz zum Schluss erzählten die Alten Märchen und Mythen.
Aber heute? Alle waren weg. Die kleinen Kinder, die Alten, die Eltern, einfach alle. Nur die Zehnjährigen waren übrig. Es war gespenstisch.

Manche von ihnen bekamen grosse Angst und wollten sich verstecken, sicher waren Räuber da gewesen in der Nacht.
Bo und Lu lachten über soviel Dummheit, weil die Räuber nur sie übrig gelassen hätten. Nein, dass war es sicherlich nicht. Andere glaubten, dass die Grossen sie überraschen wollten und beschlossen Ordnung zu machen, alles herzurichten für das grosse Fest was sie konnten.
Aber auch da lachten Bo und Lu sagten: so eine Dummheit, schon immer wurde das in der Gemeinschaft gemacht. So blieben die beiden Freunde alleine an dem Brunnen zurück, die anderen Kinder versteckten sich oder begannen mit den Vorbereitungen, wie sie es gesagt hatten.

Lu wollte in den grossen Graben am Rande des Dorfes hinuntersteigen, denn das wollte sie schon immer. Aber es wahr strengstens verboten, nachdem nun niemand mehr da war, der etwas sagen konnte, wollte sie es jetzt tun.
Bo versuchte es ihr auszureden. Es ist gefährlich, nicht ohne Grund ist es verboten rief er und wurde wütend weil Lu ihm nicht glauben wollte. Die beiden fingen an sich schrecklich zu streiten, zum Schluss wälzten sie sich tatsächlich prügelnd am Boden. L
u weinte aus Wut und Ärger über diesen grauenhaften Tag und als Bo sie einen Moment los liess rante sie davon.
Einfach weg, nix wie weg!
Ohne auf die Richtung zu achten lief sie so schnell sie nur konnte. Bo war zu sauer auf sie um ihr zu folgen. Die beruhigt sich schon wieder und kommt ganz schnell zurück dachte er und ging zu den anderen Kindern, die angefangen hatten das Fest vorzubereiten, denn sie glaubten die Familien wollten sie testen. Es war ein schwieriges Jahr gewesen. Erst gab es zuviel Regen, dann zu wenig. Die Ernten waren schlecht ausgefallen und sie mussten Kühe und Pferde verkaufen, weil es zu wenig Futter gab. Vielleicht war es wahr, dass es keine Ponys geben würde.

Die kleine Lu lief und lief am See vorbei, am Bach entlang durch den alten Wald und dann runter in den Graben. Von der anderen Seite wo es nicht so steil war, wollte sie sich endlich die Schlucht anschauen. Sie war trotzig und schrecklich unglücklich.
Was war denn das für ein Geburtstag?
Natürlich musste dass passieren was Bo gesagt hatte, sie stolperte und fiel so unglücklich über ihre eigenen Füsse dass sie ein ganzes Stück in die Schlucht hinuterpurzelte. Als sie endlich liegen blieb spürte Lu sofort, dass es nicht nur ein paar Schrammen waren die da so weh taten. Sie blieb erstmal liegen, weinte sich aus und versuchte dann aufzustehen. Aber es war unmöglich irgendwas war mit ihrem linken Knöchel falsch, sie konnte ihn nicht bewegen und drauf stehen tat schrecklich weh. Wieder musste Lu weinen.
Sie blieb eine ganze Zeitlang sitzen, versuchte sich zu beruhigen und dachte daran, das Bo ja wusste was sie vorgehabt hatte. Aber dann fiel ihr ein, dass sie vom Dorf aus in den Graben wollte, dass hatte sie ihm gesagt. Nun aber war sie viele Kilometer gerannt und von einer ganz anderen Richtung zur Schlucht gelaufen. Hier war sie auch noch nie vorher gewesen.
Wieder kamen die Tränen, aber diesmal unterdrückte Lu sie. Ich bin doch sonst auch mutig und stark, ich schaff das, sagte sie sich. Ihr Vater ein grosser und starker Mann, hatte sie oft auf die Jagd mitgenommen und ihr viel über die Natur und das Leben in der Wildniss erzählt.
Lu dachte nach. Was konnte sie nun tun. Das Dumme war, dass sie nichts bei sich hatte. Nichtmal ein ganz kleines Messer oder einen Strick, rein gar nicht. Es gab sicherlich eine Lösung, aber Lu wollte nichts einfallen. Sie sass eine lange Zeit da, still und leise in ihre Gedanken versunken und bemerkte nicht die Ponys die aus der Schlucht gemütlich auf sie zu kamen.

Die wilden Ponys der Gegend waren berühmt für ihre Zähigkeit und ihren Mut, wenn man sie gefangen und gezähmt hatte. Aber das gelang nur sehr sehr selten, denn die Ponys waren schnell und ausdauernd.
Nur die Geschicktesten und Erfahrensten aus dem Dorf schafften es die echten wilden Ponys zu fangen. Eigentlich gab es im Dorf genug Tiere und dadurch Nachwuchs, deshalb wurden die wilden Tiere in Ruhe gelassen, schon seit vielen Jahren. Vielleicht rannten die Ponys deshalb nicht davon, als sie die kleine, nun doch wieder weinende Lu sahen.
Sie blieben in einiger Entfernung, mit gespitzten Ohren und grossen Nüstern stehen und betrachteten das Mädchen.
Dann löste sich ein schwarz-weiss geflecktes Pony aus der Gruppe und kam auf Lu zu. Sie bemerkte es erst als das Pony direkt vor ihr stand und ihr ins Gesicht blies. Lu erschrak fürchterlich, konnte aber einen Aufschrei zum Glück unterdrücken, hörte auf zu weinen und hielt ganz still. Das gefleckte Tier sah sich Lu ganz genau an und roch an ihr. Lu hätte es zu gerne gestreichelt, wollte aber das Pony nicht erschrecken und lieber sich gar nicht bewegen, damit das Pferdchen Vertrauen zu ihr fassen konnte. Nach einer ganzen Weile hob Lu dann doch ganz langsam eine Hand und legte sie vorsichtig auf die Stirn des Ponys. Nun hielt das Pony ganz still, als wolle es Lu nicht erschrecken. Es war als würden sich die Beiden unterhalten. Wieder verging einige Zeit, dann drehte sich das Pferdchen langsam um und ging zu seiner Gruppe zurück.
Lu war wie verzaubert, es war so schön gewesen, diese Ruhe und dieses Vertrauen und das Pony selber war sowieso das schönste Pony was sie in ihrem ganzen Leben je gesehen hatte. Gerade hatte sie aufgehört zu weinen, aber das sie nun hier sass, dass schönste und liebste Pony direkt in ihrer Nähe und sie nicht mal hingehen konnte, liess sie wieder anfangen heftig zu schluchzen. Die Herde erschrak  und stob auf und davon. Das war zuviel, jetzt weinte Lu hemmungslos, vergrub den Kopf zwischen den Beinen und konnte sich nicht mehr beruhigen.

Da stupste sie etwas wieder und wieder. Es war der Schecke, er rieb seinen Kopf an ihren Haaren und stupste sie mit seiner weichen Nase. Lu beruhigte sich, schaute hoch und dann als würde sie es schon immer so tun, griff sie in die Mähne des Ponys zog sich hoch und  kletterte auf den Rücken des gescheckten Ponys.
Es war ein wunderbares Gefühl, das allerschönste Gefühl ihres ganzen Lebens, alle Sorgen und der Schmerz in ihrem Knöchel waren vergessen.
Sie sass auf einem Pony, einem wilden Pony!!
Ganz gemächlich setzte es sich in Gang und ging mit ihr zu der Herde zurück. Einige Ponys flohen und schauten unruhig, andere kamen und schnupperten an ihr und wieder andere taten so als wäre gar nichts.
Das Scheckpony aber marschierte mit Lu auf seinem Rücken am unteren Ende aus der Schlucht heraus und machte sich mit ihr auf den Weg zum Dorf. Lu wusste gar nicht was sie machen sollte, sie liess sich einfach tragen und genoss es.
Es dämmert bereits bis das Dorf in Sicht kam.
Das was Lu dann sah verschlug ihr erneut den Atem, was für ein merkwürdiger Tag. Alle waren wieder da. Sie konnte die Alten sehen wie sie ums schon entzündete Sommersonnfestfeuer standen, die kleinen Kinder die hin und herflitzten und die Erwachsenen die alles für das bevorstehende Festmahl und den Tanz herrichteten.
Und dann schrie jemand. Mit einemal standen alle still und schauten in ihre Richtung ganz leise wurde es, nur das Knistern des Feuers und das Getrappel von den Ponyhufen war zu hören.
Das Scheckpony trug Lu ungeachtet der ganzen Aufmerksamkeit weiter, bis zum Feuer, da wo ihre Mutter stand und hielt neben ihr an. Ihre Mutter, mit vor Schreck geweiteten Augen zog Lu ganz langsam zu sich auf den Arm.
Das Pony drehte sich um, wieherte ohrenbetäubend laut und setzte im gestreckten Galopp davon.
Einige Momente regte sich niemand, doch dann brach der Trubel los. Lu wurde bestürmt mit Fragen und Lu bestürmte die anderen mit Fragen. Der Heiler kam und besah sich ihren Fuss, Lu musste etliche Male wiederholen was passiert war und dann endlich bekam auch sie eine Antwort. Es war ein Test und es war schon immer so gewesen, nur so geschickt eingefädelt und die Ponys gab es nur wenn es nicht an die kleinen verraten wurde. Schon immer mussten die Zehnjährigen sich an dem Tag beweisen und nicht immer gab es für alle Ponys.....
Lu bekam keines. Sie war weggelaufen und hatte nicht mitgeholfen. Aber das machte dem kleinen Mädchen nicht viel aus. Sie war auf einem wilden Pony geritten, es hatte sie zurück nach Hause gebracht und sie war sich sicher das die ein Wunder war.
Nun wusste Lu auch warum manche Kinder zur Wintersonnwende ein Pony bekamen und sie war sich sicher, dass sie dann auch eines bekommen würde.
Es war ein langes und wunderschönes Fest, tanzen konnte die kleine Lu nicht, aber in ihrer Hand hielt sie ganz fest ein paar Mähnenhaare „ihres“ wilden Ponys und sie war glücklich.

© Denise Barth, Juli 2010
Eine Geschichte für Kinder zum vorlesen oder selber lesen.
Es geht darum, Regeln einzuhalten, Verantwortung zu übernehmen und das Wunder passieren können.
Copyright liegt ausschliesslich bei mir. Viel Spass beim lesen!
© 2014 - 2024 DeniseLaMaya
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